37. Deutscher Kongress für Sportmedizin und Prävention
– Prävention durch Bewegung und Sport –

Rotenburg a.d. Fulda, 26. 9. 2001 - 30. 9. 2001


Presseinformation

 

Hypertonie und Sport

Hauptvortrag von Priv.-Doz. Dr. med. Gerd Hoffmann

29. 9. 2001

 

"Sport trotz Hypertonie" (Ausübung bestimmter Sportarten trotz bestehender Hypertonie) und "Sport wegen Hypertonie" (Einbeziehung einer dosierten Sportausübung in einen Gesamttherapieplan der Hypertonie) sowie die gerade in der Sportmedizin (vor allem durch die Ergometrie) guten Möglichkeiten des Erkennens einer Hypertonie, ihre Bewertung und gegebenenfalls Behandlung (nicht-medikamentös oder medikamentös) und die Auswirkungen unterschiedlicher sportlicher Belastungen auf den Blutdruck beim Gesunden und beim Hypertoniker einschließlich der Möglichkeit der Prävention durch Ausdauersport im Sinne der Minderung der Hypertoniehäufigkeit stellen Aspekte des Themas dar.

Die akuten Auswirkungen sportlicher Belastung auf den arteriellen Blutdruck und die Kreislaufreaktion sind stark von der Belastungsform (z.B. dynamisch submaximal [Gefäßweitstellung, Abnahme des Strömungswiderstandes] versus statisch [hoher Strömungswiderstand]) abhängig und beim Gesunden und beim Hypertoniker [keine adäquate Senkung des Strömungswiderstandes] unterschiedlich.
Statische Belastungen, die bereits beim Gesunden zu deutlich höheren Blutdruckanstiegen führen, sind - vor allem wenn sie mit Preßdruck einhergehen - ebenso wie kraft-, schnellkraft- und streßbetonte Bewegungsabläufe oder schlecht dosierbare Belastungen oder Maximalbelastungen, wie Wettkämpfe, für den Hypertoniker tendenziell ungünstig, da es zu überschießenden Blutdruckanstiegen kommen kann (z.B. Gewichtheben, Tauchen, Sportkegeln, Liegestütze). Vor allem bei einer bereits bestehenden ausgeprägten hypertoniebedingten Myokardhypertrophie oder einer zusätzlichen koronaren Herzerkrankung besteht die Gefahr einer myokardialen Ischämie.
Dynamische submaximale Belastungen, z.B. ein Ausdauertraining mäßiger Intensität (langsamer Dauerlauf, Skilanglauf, Radfahren in der Ebene), sind in der Akutsituation nur von moderateren Belastungsblutdruckanstiegen begleitet und wirken beim Hypertoniker sogar langfristig über verschiedene Mechanismen (Senkung des peripheren Gesamtwiderstandes, der Sympathikusaktivität, des systolischen und diastolischen Blutdrucks, der Herzfrequenz und des Blutdruck-Herzfrequenz-Produktes, Erhöhung der Vagusaktivität, Gewichtsnormalisierung, psychische Entspannung) blutdrucksenkend. Hinzu kommen günstige Einflüsse auf metabolische Störungen ("Metabolisches Syndrom"): Verbesserung der zellulären Glukoseaufnahme und Glukosenutzung, Minderung der Risikofaktoren der Arteriosklerose (z.B. Verbesserung der HDL/LDL-Relation). Entsprechend ist ein Ausdauertraining im submaximalen Bereich (mit z.B. drei- bis viermal pro Woche 30 bis 60 Minuten) für Hypertoniker, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind, aus heutiger Sicht als Teil der Therapie der arteriellen Hypertonie wünschenswert und effektiv.

Für das Erkennen einer arteriellen Hypertonie hat die Sportmedizin neben der Anamnese (Blutdruckwerte, auch in der Familie, Medikamente, Körpergewicht, Alkohol, Nikotin, Kochsalzverbrauch, Magnesiumzufuhr, Lakritzkonsum) und der klinischen Untersuchung vor allem den Vorteil der im Rahmen einer sportmedizinischen Untersuchung durchgeführten Ergometrie mit der Möglichkeit der Bewertung der diagnostisch und prognostisch sehr aussagefähigen Belastungs- und Erholungsblutdruckwerte neben den häufiger situativ "verfälschten" Ruheblutdruckwerten.
Hinsichtlich arterieller Hypertonie kann die Ergometrie dabei der Diagnosestellung, Verlaufsbeurteilung oder Beurteilung der Blutdruckreaktion unter sportlicher Belastung dienen.
Für den Regelfall der routinemäßigen sportmedizinischen Untersuchung (mit Screening-Fragestellung) wird die stufenweise ansteigende ausbelastende (anstelle einer nur submaximalen) Ergometrie favorisiert (bietet Gesundheitsdiagnose [präventivmedizinisch relevantes relativ frühes Erkennen einer koronaren Herzerkrankung oder einer arteriellen Hypertonie] und Leistungsdiagnose). Eines der Kriterien der Blutdruckbeurteilung (neben Regeln wie "Bis 200 systolisch bei "(200-Lebensalter) Watt"") lautet, daß der Blutdruck in der 5. Erholungsminute nicht über 165/90 mm Hg betragen sollte.
Echokardiographisch kann zwischen ausdauersportbedingter Myokardhypertrophie (harmonische Vergrößerung aller 4 Herzabschnitte ohne Erhöhung der relativen Wanddicke) und hypertoniebedingter linksventrikulärer Hypertrophie (deutlich erhöhte relative Wanddicke und verminderte diastolische Funktion des linken Ventrikels) differenziert werden.

Die Frage der sportlichen Belastbarkeit hat stets die kardiale Gesamtsituation einschließlich Hypertrophie (Folgeschaden der Hypertonie) und Koronarbefund sowie Randbedingungen (Übergewicht, Hypertonieursache, Beeinflußbarkeit der Hypertonie z.B. durch Medikamente) zu berücksichtigen: Milde Hypertonie im Stadium I nach WHO (= ohne kardiale Veränderungen): Sportausübung ohne Einschränkungen (auch anaerobe Belastungen; bei milder labiler Hypertonie im Stadium I auch Wettkampfsport); Hypertonie im Stadium I oder II (= Anpassungsstadium mit konzentrischer Hypertrophie): aerobe Belastungen, Sporttherapie; Hypertonie im Stadium III (= Schädigungsstadium mit exzentrischer Hypertrophie): nur Bewegungstherapie.
Besonderer Wert ist auf eine individuelle Beurteilung und daraus abgeleitete individuelle Empfehlungen oder Festlegungen zu legen. Als Orientierungsregeln können gelten: maximal 230/120 bzw. 250/120 mm Hg unter Belastung (Beziehung zwischen Herzfrequenz- und Blutdruckverlauf verwenden !), Sprechen-Können z.B. trotz Laufbelastung. In der Regel Kontraindikationen für sportliche Belastung: Ruheblutdruckwerte über 180/120 bzw. 200/120 mm Hg, links- oder rechtsventrikuläre Insuffizienz in Ruhe oder bei Belastung (heute jedoch zunehmend individuelle Bewegungstherapie zur Therapie der Herzinsuffizienz !), bedeutsame Myokardischämie in Ruhe oder bei Belastung, bedeutsame Herzrhythmusstörungen, Aortenaneurysma.

Bei den Therapieprinzipien einer arteriellen Hypertonie steht die medikamentöse Therapie am Ende einer ganzen Palette an Möglichkeiten: Reduktion von Körpergewicht, Reduktion von Alkohol- und Salzkonsum, Nikotinkarenz, ursächliche Behandlungsverfahren (bei sekundären Hypertonieformen), Ausdauertraining; medikamentöse Blutdrucksenkung: aufgrund ihres relativ günstigen Wirkprofils für Sporttreibende kommen vor allem Calcium-Antagonisten, Beta-Blocker und ACE-Hemmer in betracht: alle drei Substanzklassen erreichen auch in der Belastungssituation eine gute Senkung des systolischen und diastolischen Blutdrucks und bewirken eine gute oder sehr gute Rückbildung der linksventrikulären Hypertrophie. Als unerwünschte Effekte sind z.B. Bronchialobstruktion oder verminderte Glukosespiegel unter Belastung bei unselektiven Beta1-Beta2-Blockern möglich.

Therapieziele bei der Hypertonie sind Erhaltung der psychophysischen Leistungsfähigkeit für Alltag, Beruf und Freizeit, Beeinflussung der Hypertonie einschließlich Regression der Linksherzhypertrophie, Prävention von Folgeerkrankungen, Verbesserung von Koordination, dynamischer Flexibilität, lokaler aerober Ausdauer, eventuell auch der allgemeinen aeroben Ausdauer. Wenn Sport in ein Therapiekonzept der Hypertonie einbezogen wird, sollte die Freude an der körperlichen Aktivität im Mittelpunkt stehen.

Sportmedizinisch besonders erfreulich ist der Aspekt der primären Prävention: von regelmäßigem Ausdauersport wird eine Verminderung der Hypertoniehäufigkeit erwartet.

Weitere Informationen über das Kongressbüro (s.o.)
oder über Tel: 0361-6551738, e-mail: k-h.arndt@erfurt.de
sowie über Tel: 06623-88-6406, Fax: 06623-88-6402, e-mail: ischmidt@die-meirotels.de
und ab 26. 09. 2001 über das Pressezentrum des 37. Deutschen Kongresses für Sportmedizin und Prävention (Meirotels-Halle, Heinz-Meise-Straße 96, 36199 Rotenburg a. d. Fulda, Tel: 06623-88-1644, Fax: 06623-88-1670, e-mail: presse.dgsp2001@uni.de).

Gesamtprogramm (Kongressführer) unter http://www.dksp2001.de und http://www.sportmedizinkongress.de

Thüringer Sportärztebund - Lehrstuhl für Sportmedizin der Justus-Liebig-Universität Gießen

Kongresskomitee: Prof. Dr. Paul E. Nowacki, Gießen (Vorsitz), Prof. Dr. Karl-Hans Arndt, Erfurt (Stellv.), Med.-Rat Dr. Eberhard Greiner, Gotha (Industrieausstellung), Priv.-Doz. Dr. Gerd Hoffmann, Frankfurt am Main (Öffentlichkeitsarbeit)


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Zuletzt aktualisiert am 05.10.01 14:14:35
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