37. Deutscher Kongress für Sportmedizin und Prävention
|
Sonntag, 30. 9. 2001
37. Deutscher Kongress für Sportmedizin und Prävention endete mit Experten-Symposium zum Thema "Fußballnationalmannschaft 2012 - Entwicklung aus trainingswissenschaftlicher und sportmedizinischer Sicht"
Zum Finale des mit über 1000 Sportmedizinern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz gut besuchten "37. Deutschen Sportärzte-Kongresses" in der Rotenburger MEIROTELS-HALLE kam es zum Brückenschlag von Sportmedizin und Spitzenfußball. Während in den Tagen zuvor fundiert auf wissenschaftlichem Niveau die Forschungs-situation aus interdisziplinärem Blickwinkel zu Themen in der gesamten Breite der Sportmedizin diskutiert und in zahlreichen Vorträgen und Referaten erörtert wurde, verständigten sich unter der Moderation und einem Hauptreferat über "Gesundheits-untersuchung und Leistungsdiagnostik im Fußballsport" von Prof. Paul. E. Nowacki von der Universität Gießen die Sportmediziner mit Fußballexperten wie Dietrich Weise (erfolgreichster Jugendtrainer des DFB) sowie "Kaiser" Franz Beckenbauer über die notwendig zu leistende Arbeit zwischen erfolgsorientierter Perspektive im deutschen Spitzenfußball und einer nachhaltig begleitenden Unterstützung durch die Sportmedizin.
Bevor der Präsident des FC Bayern München und OK-Chef der Fußball-WM 2006 im Rahmen einer Podiumsdiskussion zum Ist-Zustand des deutschen Fußballs und in Prognosen hinsichtlich einer gezielten Nachwuchsarbeit unverblümt Stellung bezog, war es Prof. Wilfried Kindermann, der ehemalige Mannschaftsarzt der deutschen Fußballnationalmannschaft und "Olympia-Arzt" von Sydney 2000, der im letzten Plenarvortrag des fünftägigen Kongressmarathons über das Thema "Moderne Leistungsdiagnostik im Fußballsport" referierte und so gewissermaßen der sich anschließenden Diskussion im Expertenkreis von Trainern ("Charly" Körbel von Eintracht Frankfurt) und Verbandsfunktionären (auch der 1. Vorsitzende des Hessischen Fußballverbandes Rolf Hocke war Teilnehmer der von Ulrich Monz moderierten Diskussionsrunde) die wissenschaftliche Fundierung des Gesprächsstoffs lieferte. Kindermann ist wie kein Zweiter nah am Geschehen des deutschen Spitzenfußballs dran.
Seit 1991 hat er mit seinem sportmedizinischen Team insgesamt 62 deutsche Nationalspieler leistungsdiagnostisch betreut, sportphysiologische Profile erstellt und mittels eines sogenannten "Fußball-Scores" systematisch und repräsentativ erfasst, welche Leistungsmerkmale der deutsche Spitzenfußballer hat. Woran krankt der deutsche Fußball? Nun, folgt man den standardisierten Untersuchungen Prof. Kindermanns, dann vielleicht auch daran, dass aus sportmedizinischer Sicht im deutschen Fußball das Ausdauertraining überproportional im Vergleich zum Schnelligkeitsvermögen trainiert werde und die adäquate Mischung aus Ausdauer und Sprintqualität nur selten gewährleistet sei. Möchte man an vormalige Erfolge anknüpfen, sei nicht nur eine gezielte Nachwuchsarbeit im Sinne des französischen Fördersystems wünschenswert, sondern auch eine Akzentuierung der Trainingseinheiten in Bezug auf eine gezielte Förderung des Sprintvermögens, denn "die physische Überlegenheit deutscher Fußballteams wird es aufgrund der Terminnot und der damit korrespondierenden unzureichenden Regenerationsphasen in Zukunft nicht mehr geben", so Kindermann in seinem Überblicksreferat.
Kindermanns sportmedizinisches Plädoyer für die Wichtigkeit der für das Leistungsvermögen zwingend notwendigen Pausen von Trainingseinheiten schloss sich ein Kurzreferat von Dietrich Weise, dem erfolgreichen DFB-Jugendtrainer, an. Weise versuchte den Weg aus der (vermeintlichen) Krise des deutschen Fußballs zu weisen, indem er das Jugend-Förderkonzept des Deutschen Fußball-Bundes mit seinen 390 Stützpunkten und der Talentförderung von rund 20.000 Jugendlichen in über 5.500 Vereinen als eine wichtige Maßnahme zur nachhaltigen Verbesserung der Qualität des deutschen Spitzenfußballs vorstellte. Inwieweit mit der zusätzlichen Quantifizierung der Sichtungsmaßnahmen auch eine qualitative Verbesserung einhergehe und Talente den Sprung an die absolute Spitze des Fußballs schaffen könnten, das freilich könne man erst in einigen Jahren belegen, wenn die heute 13-Jährigen an der Schwelle der internationalen Herausforderung stünden. "Was wir bei aller systematischen und flächendeckenden Sichtung und Förderung des Nachwuchses auch heute noch benötigen, sind Quereinsteiger wie Rudi Völler, Andreas Brehme und andere Ausnahmefußballer, die es ohne eine Karriere als DFB-Jugendnationalspieler bis ganz nach oben geschafft haben", so Weise abschließend.
Franz Beckenbauer, der den Weg zum "37. Deutschen Kongress für Sportmedizin und Prävention" trotz des anstehenden Bundesligaspieles am Sonntag gegen den VFB Stuttgart nach Rotenburg a.d. Fulda gefunden hatte, nahm, wie es seine Art ist, auch vor dem Plenum der Sportärzte kein Blatt vor den Mund: "Wir haben die Entwicklung ein wenig versäumt, was die systematische und langfristige Ausbildung des Nachwuchses anbelangt. Was nützen uns die schönsten Fußballplätze und besten Leistungszentren, wenn niemand darauf und darin trainiert", so der "Kaiser". Die Notwendigkeit der noch engeren Vernetzung von Spitzenfußball und sportmedizinischer Leistungsdiagnostik wurde beim FC Bayern München, dem Rekordmeister, bereits vor Jahren erkannt. "Auf unsere sportmedizinische Abteilung sind wir stolz, weil sie praxisnah arbeitet und unmittelbar auf die Notwendigkeiten des Hochleistungssports einwirkt." Und wie beurteilt der Weltmeister-Coach von 1990 den augenblicklichen Stellenwert des deutschen Fußballs und seine Perspektive? "Das Vordringen an die absolute Spitze wird immer schwieriger, und heute musst du schon ein Jahrzehnt-Talent sein, um im internationalen Konzert ganz vorne mitzuspielen. Da gibt es bei uns noch eine ganze Menge zu tun", so Beckenbauer zum Abschluss des Sportärztekongresses. Der nächste Kongress der "Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention" findet übrigens in zwei Jahren in Potsdam in Brandenburg statt.
Weitere Informationen zum Kongress über das "Pressezentrum des 37. Deutschen Kongresses für Sportmedizin und Prävention" (Meirotels-Halle, Heinz-Meise-Straße 96, 36199 Rotenburg a. d. Fulda, Tel: 06623-88-1644, Fax: 06623-88-1670, e-mail: presse.dgsp2001@uni.de).
Gesamtprogramm (Kongressführer) unter http://www.dksp2001.de und http://www.sportmedizinkongress.de
Kongresskomitee: Prof. Dr. Paul E. Nowacki, Gießen (Vorsitz), Prof. Dr. Karl-Hans Arndt, Erfurt (Stellv.), Med.-Rat Dr. Eberhard Greiner, Gotha (Industrieausstellung), Priv.-Doz. Dr. Gerd Hoffmann, Frankfurt am Main (Öffentlichkeitsarbeit)